Konzept und Messung im Deutschland-Monitor
Im öffentlichen Diskurs wird der Begriff des Populismus häufig dazu genutzt politisches Handeln oder politische Forderungen als radikal, unterkomplex, opportunistisch, „dem Volk anbiedernd“ oder schlicht als unseriös zu kennzeichnen (Lewandowsky 2022, 14). Auch in der Politikwissenschaft existieren konkurrierende Konzepte des Populismus, etwa als Strategie der direkten Interaktion von Leitfigur zur Anhängerschaft (z. B. nach Kurt Weyland), als Diskursstil unter Nutzung volkstümlicher Elemente (z. B. nach Pierre Ostiguy), oder als Ideologiebaustein (z. B. Mudde).
Wenn im Rahmen des Deutschland-Monitor 2024 von populistischen Einstellungen gesprochen wird, meint dies Populismus bzw. populistische Einstellungen im Sinne Cas Muddes als „dünne Ideologie“. Demnach sind populistische Einstellungen durch einen wahrgenommenen Dualismus zwischen einer korrupten Elite und einem idealisierten, homogenen und „guten“ Volk gekennzeichnet (Mudde 2004, 542). Letzteres habe stets einen einheitlichen Volkswillen, der auf einem „gesunden Menschenverstand“ beruhe. Pluralismus innerhalb der Bevölkerung wird daher kategorisch negiert, weshalb populistische Einstellungen stets eine illiberale Komponente haben (Lewandowsky 2022, 19f.). Die politischen und gesellschaftlichen Eliten hingegen hätten sich, populistischen Einstellungen zufolge, „an irgendeinem Punkt dafür entschieden, ihren eigenen Interessen zu folgen und das Volk zugunsten ihrer eigenen Macht im Stich zu lassen“ (Lewandowsky 2022, 21). Hieran knüpft in der Folge eine grundsätzliche Skepsis gegenüber den Institutionen der repräsentativen Demokratie an. Populismus als Ideologiebaustein kann in verschiedenen politischen Ausprägungen vorkommen, wie beispielsweise Linkspopulismus, Rechtspopulismus oder libertärer Populismus (Mudde 2004, 544; Akkermann et al. 2014, 1326).
Populistische Einstellungen wurden im Deutschland-Monitor 2024 nach einer etablierten Messung nach Akkermann et al. (2014) erhoben. Dazu wurden die Befragten gebeten, ihre Zustimmung zu den nachfolgenden Thesen auf einer 5-stufigen Antwortskala1 anzugeben. Aus den Antworten wurde ein Mittelwertindex gebildet, wobei maximal eine Antwortverweigerung zugelassen wurde. Erreicht eine Person einen Indexwert von ≥ 4 – also stimmt sie den Thesen eindeutig mehrheitlich zu – wird sie als Person mit populistischen Einstellungen eingestuft.
Thesen zur Messung populistischer Einstellungen
- Die Abgeordneten im Deutschen Bundestag sollten ausschließlich dem Willen des Volkes verpflichtet sein.
- Die Politiker reden zu viel und machen zu wenig.
- Ein einfacher Bürger würde meine Interessen besser vertreten als ein Berufspolitiker.
- Was in der Politik Kompromiss genannt wird, ist in Wirklichkeit nur ein Verrat von Prinzipien.
- Das Volk, und nicht die Politiker, sollte die wichtigen politischen Entscheidungen treffen.
- Das Volk ist sich im Prinzip darüber einig, was politisch passieren muss.
- Die Politiker kümmern sich nur um die Interessen der Reichen und Mächtigen.
Literatur
Akkerman, Agnes; Mudde, Cas; Zaslove, Andrej (2014): How Populist Are the People? Measuring Populist Attitudes in Voters. In: Comparative Political Studies 47 (9), S. 1324–1353.
Lewandowsky, Marcel (2022): Was ist Populismus? In: Marcel Lewandowsky (Hg.): Populismus. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden (Elemente der Politik), S. 9–36.
Mudde, Cas (2004): The Populist Zeitgeist. In: Government and Opposition 39 (4), S. 541–563.
1 Antwortskala: stimme voll und ganz zu, stimme eher zu, teils/teils, stimme eher nicht zu, stimme überhaupt nicht zu.